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Drillingsraum: Um die Entwicklung der Strukturen im Universum simulieren zu können muss neben Staub, Gas, Sternen, Schwarzen Löchern und Dunkler Materie auch noch das berücksichtigt werden, was wohl den größten Teil des heutigen Universums ausmacht: Wie wird mit dem Phänomen der Dunklen Energie in den Simulationen umgegangen? Prof. Dr. Simon White: Die Dunkle Energie wird in den Simulationen als eine einfache Kosmologische Konstante behandelt. Sie selbst bleibt unverändert und hat keinen direkten Einfluss auf das Wachstum der Strukturen an sich. Der einzige von ihr verursachte Effekt ist die Veränderung der Gesamtexpansionsrate des Universums, was zur Zeit eben einer beschleunigten Ausdehnung entspricht. Drillingsraum: Es gibt unterschiedliche Erklärungsansätze um die Natur der Dunklen Energie zu beschreiben. Neben einer Kosmologischen Konstante werden auch dynamische Skalarfelder diskutiert, die den Effekt einer beschleunigten kosmischen Expansion zur Folge haben könnten. Beide Fälle haben so ihre Probleme. Werfen wir mal einen Blick auf die der dynamischen Felder: Dort decken sich Aussagen der Renormierung nicht mit bestimmten Eigenschaften dieser Skalarfelder. Was versteht man unter dem Prinzip der Renormierung und welche Probleme ergeben sich daraus für diesen Ansatz? Prof. Dr. Simon White: Das geht glaube ich über meinen Fachbereich hinaus (lacht). Da fragen Sie die falsche Person nach dieser speziellen Angelegenheit aus der Hochenergiephysik. Weitläufig akzeptiert ist wohl die Tatsache, dass sich das Universum derzeit beschleunigt ausdehnt. Es gibt eine Art Mechanismus, der eher schiebt als zusammenzieht, wodurch die Druckwirkungen die anziehenden Gravitationseffekte übersteigen und somit die Expansion des Universums beschleunigt wird. Von Fluktuationen im Mikrowellenhintergrund wissen wir, dass die Geometrie des Universums euklidisch ist, oder zumindest so gut wie euklidisch. Das Universum |
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dass ein großer Teil der Energiedichte des heutigen Universums bisher noch nicht identifiziert worden ist. Dies sind im Prinzip die zwei komplett voneinander unabhängigen Routen, die uns zu der Schlussfolgerung führen, dass es so etwas wie eine Kosmologische Konstante geben muss. Die Argumente gegen die Kosmologische Konstante sind im Wesentlichen philosophisch. Es ist möglich, sie in die Theorie einzubauen, das Ganze steht in Einklang. Es ist aber unklar, wie man ihren heutigen Wert mit irgendetwas anderem in der Physik in Verbindung bringen könnte. Der Grund dafür, warum die Leute die Kosmologische Konstante nicht mögen, liegt darin, dass es sich dabei um eine Zahl handelt, die weder eine natürliche Erklärung noch einen Bezug zu irgendeinem anderen Bereich der Physik hat. Deswegen haben Physiker naturgemäß nach etwas Ausschau gehalten, das sich wie eine Kosmologische Konstante verhält, aber auf eine gewisse Art noch mit einem anderen Bereich der Physik in Zusammenhang steht. Ein Beispiel dafür wären dynamische Skalarfelder. Aber zu sagen, dass diese mit anderen Bereichen der Physik verwandt sind, wäre immer noch etwas weit hergeholt, weil die Existenz solcher Skalarfelder bis heute nicht bekannt ist. Auch hier würde es sich also um eine Erweiterung der Physik handeln. Zumindest aber könnte man so die Wechselwirkungen und Evolutionsgleichungen niederschreiben, was bedeutet, die ganze Sache mit der Sprache der Hochenergiephysik behandeln zu können. Noch immer gibt es Unstimmigkeiten darüber, warum die Kosmologische Konstante den Wert hat, den sie heute hat. Die Leute haben diverse Ideen, wie sie mit anderen Aspekten der Physik in Beziehung stehen könnte: Eine Eigenschaft der Kosmologischen Konstante könnte irgendwie mit der Balance zwischen Materie und Strahlung zusammenhängen. Materie und Strahlung sind innerhalb eines Faktors von etwa 10000 gleich, sie stehen über nur wenige Größenordnungen miteinander in Verbindung. Eventuell hat die Dunkle Energie auf die ein oder andere Art etwas damit zu tun. Vielleicht steht sie aber auch mit den Neutrinos in Zusammenhang: Aus irgendeinem Grund liegt die Neutrinomasse des heutigen Universums innerhalb ein paar Zehnerpotenzen der Masse von gewöhnlicher Materie. Dies ist in keinerlei Weise verstanden. Einige glauben aber, dass die Dunkle Energie mit diesem Phänomen in Zusammenhang steht. Andere wiederum vermuten, dass sie überhaupt nichts mit Skalarfeldern zu tun hat und man einige der überraschenden Zufälle vermeiden könnte. Dazu gehört insbesondere der Wert der Kosmologischen Konstante. Man kann sich das wie eine neue Art dynamisches Feld vorstellen, ähnlich dieser Skalarfelder, über die wir eben geredet haben. Denkbar ist auch, dass Einstein's Theorie an sich Modifikationen benötigt. Deswegen untersucht man, ob mögliche Erweiterungen eventuell etwas beinhalten könnten, das sich wie die Dunkle Energie verhält. Eine kleine Gruppe von Leuten glaubt sogar, dass der Effekt darauf zurückzuführen ist, dass wir Einstein's Theorie an sich noch nicht vollständig verstehen, denn die Allgemeine Relativitätstheorie ist hochgradig nicht-linear. Prozesse, die auf kleinen Skalen ablaufen, könnten |
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Wissenschaftler davon überzeugt ist, dass dieser Effekt entweder überhaupt nicht existiert, oder viel zu schwach ist um die beobachtete Beschleunigung zu produzieren. Einen endgültigen Konsens dazu gibt es aber noch nicht. Einige der Physiker, die mit der Relativitätstheorie konform gehen, sind immer noch der Meinung, dass hier noch offene Fragen beantwortet werden müssen. Wir wissen also bisher nicht, welcher von all diesen Wegen der richtige ist. Eine weitere Erklärung wäre, dass die Beobachtungen falsch interpretiert werden. Aber kürzlich wurde ja der Nobelpreis dafür vergeben, deshalb denke ich, dass wir uns darum keine Sorgen mehr machen müssen. (lacht) Drillingsraum: Hoffentlich. Prof. Dr. Simon White: Im Grunde genommen ist es ja auch eine sehr schwierige Beobachtung. Es ist sehr gut, wenn man zwei voneinander unabhängige Methoden zur Verfügung hat, die zu den gleichen Ergebnissen führen. Alles was wir wissen ist, dass von uns aus gesehen verschieden weit entfernte Supernovae eine scheinbar unterschiedliche maximale Helligkeit aufweisen. Unterschiedliche Entfernungen stehen hier für unterschiedliche Zeitepochen des Universums. Diese verschiedenen Helligkeiten könnten ihre Ursache entweder in der Geometrie der Raumzeit und der beschleunigten Ausdehnung haben, oder es könnte schlicht sein, dass Supernovae zu früheren Zeiten andere Eigenschaften hatten als diejeingen, die wir in unserer näheren Umgebung beobachten. Und weil Supernovae sehr komplexe Gebilde sind, können wir uns dieser Sache nicht sicher sein. Ohne weitere Hilfsmittel ist es prinzipiell umöglich zu entscheiden, welcher dieser beiden Ansätze der richtige ist. Wir brauchen neben den Supernovae also noch andere Wege um Messungen anzustellen, damit wir sicher gehen können, dass die kosmische Expansion tatsächlich real ist. Hier liefert der Mikrowellenhintergrund in Bezug auf die Geometrie des Universums ein unabhängiges Argument, welches zu den gleichen Ergebnissen führen sollte. Drillingsraum: Die Beschaffenheit der Dunklen Energie wird eine wichtige Rolle in der zukünftigen Entwicklung des Universums spielen. Um jedoch zukünftige Abläufe voraussagen zu können, müssen wir zuerst einmal die Vergangenheit des Universums richtig verstehen. Das Planck-Weltraumteleskop begann 2009 mit der Vermessung der Kosmischen Hintergrundstrahlung. Verglichen mit älteren Kartierungen liefert es nicht nur eine höhere Auflösung, sondern ist auch weniger anfällig auf Störstrahlung. Prof. Dr. Simon White: Es hat auch einen deutlich größeren Frequenzbereich, was ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Drillingsraum: Ok. Welche Informationen über das junge Universum können wir von Planck erwarten, die COBE und WMAP uns nicht liefern konnten? Prof. Dr. Simon White: Planck wird auf deutlich feineren Skalen messen. Das Signal-Rausch-Verhältnis, das Planck an jedem Himmelsausschnitt erreicht, ist höher. Die Temperaturkartierung des Mikrowellenhintergrunds wird also nahezu perfekt sein. Auf kleinen Skalen des primordialen Universums erwarten wir ohnehin keine Strukturen, da diese von der begrenzten Tiefe der Oberfläche, die wir betrachten, ausgeglättet werden. Für die |
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wir im Wesentlichen alle Informationen bekommen, die vorhanden sind. Solche Kartierungen lassen sich auch für zukünftige Experimente vielseitig verwenden: Beispielsweise kann man durch eine Compton-Streuung Schatten von Galaxienhaufen gegen den Mikrowellenhintergrund sehen, dieses Phänomen ist unter dem Namen Sunyaev-Zel'dovich-Effekt bekannt. Bodengebundene Experimente sind bereits dazu in der Lage, entfernte Galaxiencluster besser zu sehen als Planck, jedoch können sie keinen so großen Himmelsbereich abdecken. Planck ist der erste Satellit, der in der Lage ist, die Polarisation des Mikrowellenhintergrunds zu messen. Jedoch ist unklar, ob seine Empfindlichkeit dazu ausreichen wird, dem Polarisationssignal alle vorhandenen Informationen abzugewinnen. In diesem Punkt werden zukünftige Experimente Planck übertreffen. Die Physiker werden Plancks kosmologische Ergebnisse nicht vor Anfang 2013 veröffentlichen – und es ist unklar, ob sie dann bereit sein werden, die Ergebnisse aus den Polarisationsmessungen zu publizieren, weil die Effekte der Polarisation noch kleiner sind als die der Temperaturschwankungen. Zudem gibt es hier auch noch verschiedene Probleme mit Vordergrund-Effekten, beispielsweise mit polarisierten Emissionen innerhalb unserer Galaxie. Es wird demnach einige Zeit in Anspruch nehmen, um all diese systematischen Fehler und Vordergrund-Phänomene ausfindig zu machen. Erst danach können wir uns über die Ergebnisse sicher sein. Wir hoffen, dass dies 2013 möglich sein wird, aber wir werden abwarten müssen. Drillingsraum: Trägt man die Intensität der Kosmischen Hintergrundstrahlung als Funktion der Wellenzahl auf, erkennt man, dass ihr Spektrum dem einer Schwarzkörperstrahlung entspricht. Weshalb ist diese Tatsache bezogen auf die Erforschung des frühen Universums von solch großer Bedeutung? Prof. Dr. Simon White: Wenn man die Intensität als eine Funktion der Frequenz plottet, dann sieht es aus wie ein schwarzer Strahler. Plottet man sie allerdings als eine Funktion der räumlichen Verteilung, sieht man im Grunde genommen die Amplitudenmodulation der primordialen Schallwellen als Funktion ihrer Wellenlängen. Was wir sehen sind Schallwellen, wie sie sich 400.000 Jahre nach dem Urknall durch das Universum bewegt haben. Ihr Muster wird durch drei Faktoren beeinflusst: Einer ist die Geometrie des Universums, da diese Winkelgrade am Himmel in Zentimetereinheiten der von uns beobachteten Oberfläche übersetzt. Hier ist das Ergebnis, dass das Universum allem Anschein nach flach ist. Der zweite Faktor, auf den diese Fluktuationen empfindlich reagieren, ist das Medium, in dem sich die Schallwellen bewegen. Sie wechselwirken sozusagen mit dem Inhalt des Universums. Daraus lernen wir, dass gewöhnliche Materie nur einen kleinen Teil der gesamten gravitativ wirkenden Materie ausmacht, sogar in Zeiten, in denen das Universum erst 400.000 Jahre alt war. Wir wissen daher, dass das Problem der Dunklen Materie schon existiert hat, noch bevor es irgendwelche Strukturen wie Galaxien im Universum gab. Die Dunkle Materie ist also höchstwahrscheinlich in der Frühphase des Universums entstanden. Demnach gehen die heutigen Überlegungen davon aus, dass ein weiteres Elementarteilchen |
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