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Drillingsraum: Neben der Untersuchung der Kosmischen Hintergrundstrahlung gibt es noch andere Möglichkeiten, in die Vergangenheit des Universums zu blicken: Viele Astrophysiker setzen große Hoffnungen in die Entdeckung von Gravitationswellen. Angenommen, diese gehen uns eines Tages tatsächlich ins Netz. Was können wir bestenfalls von diesen Signalen lernen, und wie viel Zeit und Aufwand wird erforderlich sein, um sie richtig zu interpretieren? Prof. Dr. Simon White: Nun, es gibt zahlreiche verschiedene Wege, diese Sache anzugehen. Vorhin habe ich über die Polarisation des Mikrowellenhintergrunds gesprochen. Es ist so, dass Gravitationswellen das Muster dieser Polarisation beeinflussen. Die große Hoffnung bezüglich dieser Polarisationsexperimente ist also, dass man mit ihnen tatsächlich diese beeinflussten Muster aufspüren wird. Im Grunde genommen würden sie uns einen Einblick in Prozesse geben, die sich einen winzigen Bruchteil einer Sekunde nach dem Urknall abgespielt haben. Dies wäre natürlich noch immer ein indirekter Nachweis von Gravitationswellen, da wir hier lediglich ihre Einflüsse auf das Material sehen, welche sich dann in den Polarisationsmustern widerspiegeln. Man versucht aber auch, Gravitationswellen direkt nachzuweisen. Dies geschieht durch den Aufbau verschiedener Experimente, welche die winzigen Störungen in der Raum-Zeit-Struktur nachweisen sollen, die durch die Gravitationswellen verursacht werden. Eines davon ist beispielsweise das GEO-Experiment in Norddeutschland. Man hat mir gesagt, dass die größten Störsignale derzeit von den Wellen kommen, die an den Stränden der Ostsee bechen. (lacht) Drillingsraum: Oder vom Gärtner, der über das Experiment drüber läuft. Prof. Dr. Simon White: (lacht) Nun, die Wissenschaftler dort suchen nach sehr kleinen Fluktuationen, deswegen müssen sie ihr Experimentiergerät von allen Schwingungen abschotten, die von der Außenwelt kommen. In Amerika gibt es noch größere solcher Interferometer, mit denen man nach diesen Signalen Ausschau hält. Die Empfindlichkeit dieser Experimente wird derzeit sehr schnell gesteigert, da die Physiker die Lasertechnologie, die ständig an höhere Levels angepasst wird, immer besser verstehen. Die Messungen müssen extrem präzise sein. Sie sind jetzt dabei ein Niveau zu erreichen, auf dem es problematisch wird, wenn sie keine Gravitationswellen nachweisen. Speziell diese Signale werden dann aber nicht vom frühen Universum kommen, |
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ausbreiten. Es wird der erste direkte Nachweis dieser Wellen sein. Gravitationswellen des frühen Universums sind sehr viel schwieriger zu detektieren, und es ist unklar, wann und wie dies geschehen wird. Wenn sie auf die gleiche Art und Weise nachgewiesen werden könnten wie der Mikrowellenhintergrund, der ja nichts anderes ist als Wärmestrahlung des frühen Universums, dann würden sie direkt von der ursprünglichen Singularität selbst stammen, denn nach dieser ersten Phase wechselwirken Gravitationswellen nicht mehr signifikant mit irgendetwas anderem. Sie wären dann ein direktes Abbild jener Prozesse, die sich innerhalb der inflationären Phase des Universums abgespielt haben. Drillingsraum: Warum machen wir nicht eine kleine Wette: In welchem Jahr glauben Sie, werden das erste mal Gravitationswellen nachgewiesen werden? Ich sage dann vorher oder nachher. Als Wetteinsatz würde ich einen Kaffee oben vom Kaffeeautomaten vorschlagen. Prof. Dr. Simon White: Nun, natürlich könnte ich jetzt sagen, dass sie bereits nachgewiesen worden sind, weil der Nobelpreis dafür ja schon vergeben wurde (lacht). Aber diesen Nachweis kann man immernoch als einen indirekten Effekt betrachten, da wir hier ja nur einen Energieverlust beobachtet haben. Drillingsraum: Von zwei Neutronensternen. Prof. Dr. Simon White: Richtig. Aber ok, dann sage ich: Sie werden von diesen Detektoren direkt nachgewiesen werden in … ich denke … fünf Jahren. Drillingsraum: In Ordnung. Das wäre dann im Jahr 2016. Prof. Dr. Simon White: Ja. Drillingsraum: Gut. Ich sage, es passiert schon vorher. Ist ein Kaffee als Wetteinsatz ok? Prof. Dr. Simon White: Das passt. Die jungen Leute sind immer optimistischer (lacht). Ich kann mich noch an die 1980er Jahre erinnern, als sie ebenfalls behauptet haben, dass ein Nachweis fünf Jahre entfernt ist (lacht). Es ist ein bisschen so wie bei der Kernfusion. Drillingsraum: In den 1980er Jahren verwendete Stephen Hawking Pfadintegrale, um einen Weg zur Quantengravitation zu finden. Dieses Unterfangen gelang ihm nur, wenn er annahm, dass die Raumzeit eine in sich geschlossene ist, ohne Kanten und Ränder. Etwa so wie bei dieser Klein'schen Flasche hier, die das zweite Geschenk an Sie sein soll. |
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Prof. Dr. Simon White: Ich denke, es passt nicht. Viel von Hawking's Arbeit über die Struktur des Universums beinhaltete einen technischen Umgang mit der Relativitätstheorie, er experimentierte einfach rigoros mit speziellen Arten von Geometrien. Wir glauben, dass die von ihm ursprünglich verwendete Geometrie keinen Bezug zum Universum hat, da sie beispielsweise nicht mit der speziellen Relativitätstheorie zusammenpasst. Er hat diese Geometrie also lediglich aus technischen Gründen verwendet. Ich glaube auch, dass es ein wenig davon abhängt, worüber man letztendlich diskutiert. Die Verdampfung Schwarzer Löcher beispielsweise, worauf Sie eventuell anspielen wollen, bezeichnet die Tatsache, dass Schwarze Löcher möglicherweise nicht vollkommen schwarz sind, sondern Wärmestrahlung emittieren können. Dies etwa hängt nicht von diesen speziellen Annahmen ab, die Hawking gemacht hat. Es war vielmehr sein intuitiver Umgang mit dem Gedanken, wie man die Quantenmechanik möglicherweise mit der Allgemeinen Relativitätstheorie verbinden könnte. Andere Physiker haben solche Verbindungen mit diversen Methoden untersucht. Ich denke es ist berechtigt wenn man sagt, dass diese Methoden noch immer Ad hoc sind. Der gegenwärtige Versuch, Gravitation und Quantenmechanik zusammenzuführen, ist die Stringtheorie. Hier ist das Problem: Die Stringtheoretiker haben eine Theorie mit der sie denken, beides beschreiben zu können. Aber sie sind nicht dazu in der Lage, die Theorie auf den benötigten Skalen zu überprüfen. Drillingsraum: Man bräuchte dazu einen Teilchenbeschleuniger so groß wie unser Sonnensystem. Prof. Dr. Simon White: Oh nein, das wäre nicht ausreichend. Viel größer. Ein weiterer Punkt ist: Die Mathematik der Stringtheorie ist sehr elegant. Diese Theorie scheint das Potential zu haben, die Quantenmechanik und die Gravitation in einer einheitlichen Art und Weise beschreiben zu können. Aber sie benötigt dazu einen höherdimensionalen Raum, dessen Symmetrien nicht länger erfüllt sind. Man muss jetzt also verstehen, wie diese Symmetrien gebrochen werden und schauen, ob diese überschrittenen Grenzen mit der uns bekannten Physik in Einklang zu bringen sind. Bis jetzt ist es nicht möglich, dies explizit zu zeigen. Wissenschaftler haben Wege gefunden um zu beschreiben, wie dies möglicherweise geschehen könnte, was ermutigend ist. Aber ich denke, dass noch immer nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, ob die Stringtheorie eine auf das Universum zutreffende Theorie ist oder nicht. Drillingsraum: Lassen Sie uns noch ein wenig bei diesem Thema bleiben. Wie Sie bereits geschildert haben, suchen Physiker eine Theorie der Quantengravitation, um sowohl die Prozesse im Mikrokosmos als auch jene auf den großen Skalen des Universums beschreiben zu können. Jedoch ist es uns nicht möglich, das komplette Universum zu überblicken. Zudem sind wir in unseren Fähigkeiten, Dinge zu erkennen und zu verstehen in |
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Prof. Dr. Simon White: Ich hoffe nicht. Was würden wir denn danach machen? (lacht) Ich denke es ist sehr unwahrscheinlich. Aber was soll es heißen wenn man sagt, es sei lediglich eine Interpretation? Interpretieren bedeutet, zu verstehen. Nehmen wir etwa mal an, wir hätten einen enormen Computer wie den im Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“, und wir dächten die Gesetze der Physik verstanden zu haben. Drillingsraum: Haben Sie das Buch gelesen? Prof. Dr. Simon White: Natürlich. Wir dächten also, alle Gesetze der Physik verstanden zu haben und programmierten sie zusammen mit den Anfangsbedingungen in den Computer, ließen den Computer rechnen und am Ende käme etwas heraus, das wie unser Universum aussieht. Ich denke wir hätten dann noch immer nicht verstanden, wie sich die Galaxien entwickelt haben. Wir wären in dieser Hinsicht keinen Schritt weiter gekommen, weil wir effektiv nichts anderes getan hätten, als sie anzuschauen. Was wir lernten wäre, dass das heutige Universum in Einklang mit diesen Anfangsbedingungen stünde. Dies wäre eine wichtige Bereicherung für unser physikalisches Verständnis, aber es würde uns nichts über die Entstehungsprozesse von Galaxien sagen, wir würden es kein bisschen mehr verstehen als zuvor. |
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