Interview Josef Jochum

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Interview mit Prof. Dr. Josef Jochum

Teil 3: Über Detektorbau, MACHO's und die Frage nach dem fehlenden Helium

 

Drillingsraum: Es gibt bereits mehrere unterirdische Laboratorien, die nach WIMPs oder anderen „Spuren“ Dunkler Materie suchen. Wie weit ist die Forschung noch davon entfernt, das Unsichtbare sichtbar zu machen?

Prof. Dr. Josef Jochum: Ja, das ist eine gute Frage, das kann ich so nicht beantworten. Im Wesentlichen ist das eine Frage danach, wie schwach die Teilchen wechselwirken. Zunächst einmal machen sich die Teilchen ja nur, wenn es überhaupt Teilchen sind, wir sind ja jetzt schon tief in der Hypothese, dass WIMP's die Dunkle Materie erklären, gravitativ bemerkbar. Und gravitativ würden wir sie nie nachweisen können, zumindest nicht in direkten Detektoren, weil man da ja riesige Mengen bräuchte um einen Effekt zu bekommen. Das heißt, dass die dann doch noch über andere Reaktionskanäle, zum Beispiel über die schwache Wechselwirkung, hin und wieder mit normaler Materie wechselwirken. Und das ist motiviert dadurch, dass diese WIMP's, diese Materie, diese Dunkle

josef_jochum  
Materie, auch im Urknall erzeugt worden sein muss. Und das geht nur, wenn sie mit der anderen normalen Materie zumindest etwas wechselwirkt.

Und daraus kann man dann Grenzen angeben, wie schwach die Wechselwirkung sein darf. Interessanterweise ist es so, dass bei einer zu schwachen Wechselwirkung zu viel davon beim Urknall übrig geblieben wäre. Das heißt, wir haben schon so einen groben Rahmen, wie schwach die wechselwirken. Ich würde mal sagen, die Hälfte des Bereichs kriegen wir in den nächsten 2 bis 3 Jahren abgedeckt. Um dann den letzten Bereich auszutesten, also noch weiter in der Sensitivität hin zur schwächeren Wechselwirkung runter zu kommen, das wird dann nochmal mindestens 10 bis 15 Jahre dauern. Denn da ist dann auch ein neuer Schritt von den Experimenten her erforderlich, die noch wesentlich größer und verbessert aufgebaut werden müssen, mit dem Gelernten von vorher. Aber wie gesagt, es kann auch sein, dass wir es nie entdecken werden. Dann ist es entweder doch noch ein bisschen weiter weg, oder es ist eine andere Erklärung für die Dunkle Materie erforderlich.

Drillingsraum: Ende 2005 bekam auch das physikalische Institut der Universität Tübingen ein solches Untergrundlabor. Nach was wird hier speziell gesucht?

Prof. Dr. Josef Jochum: In dem Untergrundlabor werden tatsächlich Detektoren betrieben und entwickelt, um nach solchen WIMP's zu suchen. Wir von der Universität Tübingen beteiligen uns an Experimenten zur Suche nach diesen Teilchen. Diese Experimente finden in der Regel nicht hier in Tübingen statt, weil so ein Untergrundlabor einfach zu klein ist. Das sind große Labore in Italien oder in den USA, die viel tiefer im Berg sind, die müssen also mindestens 1,5 Kilometer tief im Berg liegen. Das können wir hier nicht realisieren. Aber wir können die Detektoren hier testen, ausprobieren und nach Verunreinigungen suchen. Und da ist so ein Labor wie das hier in Tübingen sehr sehr wertvoll, da es auch zu einem gewissen Grad die Kosmische Strahlung abschirmt. Wir reden hier ja von schwach wechselwirkenden Teilchen. Und da sind natürlich alle anderen Reaktionen, die häufiger vorkommen, störend. Deshalb braucht man eine Abschirmung gegen Kosmische Strahlung. Bei diesen Abschirmungen

gibt es natürlich verschiedene Levels, und so ein paar Meter Erde, wie wir das hier haben, hilft da schon relativ viel. Die heutige Sensitivität, die man schon mit diesen anderen, tiefen Laboratorien erreicht hat, liegt weit jenseits dessen, was wir in Tübingen tun können. Das heißt, es ist mehr ein Test- und Untersuchungslabor, in dem die Materialien getestet werden.
 
wimp_detektor
Bild: Beim Einbau der Detektoren ist höchste Vorsicht geboten. CRESST ist so empfindlich, dass die Radioaktivität z.B. eines Fingerabdrucks die Messung verfälscht. Das den Detektor umgebende Material ist weitgehend hochreines, strahlungsarmes Kupfer. Quelle: CRESST Kollaboration
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Hier sieht man das absolute Herzstück des Dunkle Materie Detektors: Das große glasartige Plättchen ist der Sensor, der später die WIMP-Teilchen nachweisen soll. Eine genauere Beschreibung gibt es hier. Quelle: CRESST Kollaboration

Drillingsraum: Hat Ihr Untergrundlabor schon was Interessantes zutage gefördert?

Prof. Dr. Josef Jochum: Kann man so noch nicht beantworten. Man muss auch dazu sagen, dass die Zeitskalen da oft sehr groß sind. Das Labor wurde Ende 2005 in Angriff genommen, und uns wurde es zu Beginn 2007 übergeben. Wir sind jetzt seit einem Jahr damit beschäftigt, die Innere Installation aufzubauen. Es geht aber jetzt erst so richtig los, mit der wissenschaftlichen Arbeit beginnen wir jetzt, im Frühjahr diesen Jahres.

Drillingsraum: MACHO's (Massive Compact Halo Objects) sind astronomische Objekte aus gewöhnlicher Materie, die in diesem Fall jedoch kaum oder gar nicht leuchtet. Weil sich MACHO's dadurch einer direkten Beobachtung entziehen, sind sie Kandidaten für Dunkle Materie. Könnten MACHO's die gesamte Dunkle Materie im Universum ausmachen?

Prof. Dr. Josef Jochum: Also das war der Glaube bis vor etwa 10 Jahren. Weil man damals nicht gewusst hat, wieviele von diesen Objekten es im Universum gibt, war das durchaus eine plausible Erklärung. Dann hat man danach gesucht, aber nicht genügend gefunden. Ein anderes Problem ist, Sie haben es ja gesagt, dass MACHO's letztendlich aus gewöhnlicher Materie bestehen, sie sogenannte Sternleichen sind. Sie sind also aus normaler Materie entstanden. Und da wir heute ja auch wissen, wieviel gewöhnliche Materie es im Universum gibt, können wir daraus schließen, dass man da gar nicht genügend MACHO's draus gebacken bekommt, um damit die Dunkle Materie zu erklären. Es fehlen auch die Spuren, die die MACHO's in Form von Helium hätten hinterlassen müssen, da all diese Sterne ja Wasserstoff zu Helium verbrannt hätten. Der Heliumanteil im Universum müsste einfach höher sein. Solche Geschichten passen also auch nicht zusammen. MACHO's sind out für die Dunkle Materie.

Drillingsraum: MACHO's könnte man indirekt über den Gravitationslinseneffekt nachweisen. Wie funktioniert das genau?

Prof. Dr. Josef Jochum: Also da macht man sich zu Nutze, dass die Energie des Lichtes nach E=mc² auch einer Masse entspricht, die gravitativ angezogen wird. Bei starken Massenkonzentrationen werden Photonen und Lichtstrahlen abgelenkt und in Richtung dieser Masse gebündelt. Das wirkt dann letztendlich wie eine Linse. Wenn nun so ein schweres Objekt, ein schwarzes Loch oder ein jupiterähnlicher Planet beispielsweise, genau zwischen uns und einem Stern in einer anderen Galaxie steht, dann führt das dazu, dass das Licht von diesem Stern kurz zu uns hin gebündelt wird. Witzigerweise wird ein Stern also nicht dunkler, sondern heller, wenn sich ein MACHO in den Weg stellt. Und mit dieser Methode kann man die MACHO's dann auch zählen. Man sieht

sie zwar nicht direkt, aber man guckt sich zum Beispiel die große Magellansche Wolke an und beobachtet, wie oft da ein Stern aufblinkt. So kann man abschätzen, wieviele MACHO's dazwischen rumfliegen.
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Drillingsraum: Hat man mit dieser Methode bereits etwas Interessantes entdeckt?

Prof. Dr. Josef Jochum: Ja, also alles was wir über MACHO's wissen, wissen wir daraus. Das ist eine erstaunliche Geschichte, weil das passiert natürlich sehr sehr selten, dass so ein Objekt genau auf der Linie zwischen uns und den Nachbarn liegt. Da muss man größenordnungsmäßig schon eine Woche lang 10 Millionen Sterne kontinuierlich anschauen, um da mal was blinken zu sehen. Und das geht natürlich erst seit ca. den letzten 10 Jahren. Da war das dann plötzlich eine riesen Industrie, Teleskope mit riesigen CCD's zu bestücken, die dann die Auflösung haben um 10 Millionen Sterne zu beobachten. Da braucht man ja schon mehr als eine 10 Megapixel Kamera, um 10 Millionen Sterne überhaupt einzeln sehen zu können. Zudem braucht man natürlich auch eine bestimmte Computerleistung, um 10 Millionen Pixel permanent zu überwachen und zu schauen, ob da nicht mal eins heller wird. Es ist also Computer- und Kameratechnologie, die das möglich gemacht hat. Ja, und ein Abfallprodukt dieser MACHO-Suche ist die Planetensuche. Die Planeten, die man um andere Sterne entdeckt hat, hat man auf diese Methode entdeckt. Die Planetensuche ist sozusagen ein Spin-Off von der ganzen MACHO-Geschichte.

Drillingsraum: Braune Zwerge, Neutrinos, MACHO's, WIMP's & Co. Alles Kandidaten für Dunkle Materie. Einige von ihnen hat man praktisch schon ausgeschlossen. Welche sind noch übrig?

Prof. Dr. Josef Jochum: Also in dieser Liste würde ich sagen sind es nur noch die WIMP's. Braune Zwerge und MACHO's hat man ausgeschlossen. Das sind also kompakte, dunkle Objekte, die es in unserer Galaxie gibt, aber letztendlich sind die auch aus normaler Materie. Aber davon gibt es nicht genügend, das weiß man mittlerweile durch Messungen. Neutrinos sind Teilchen die wir kennen, sie sind zwar nicht aus normaler Materie, aber immerhin sind es Teilchen, die wir kennen. Man kann sie aus anderen Gründen ausschließen, da sie die Strukturformation total auf den Kopf gestellt hätten. Das heißt, in der Liste bleiben nur noch WIMP's übrig. Es gibt noch andere Kandidaten, man könnte die Liste noch länger machen. Die kommen schneller dazu, als das man sie ausschließen kann. Die Liste wird also länger, weil die Leute natürlich darüber nachdenken, was es sein könnte.

 
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