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Drillingsraum: Was ist der Unterschied zwischen normaler Materie und Dunkler Materie? Prof. Dr. Josef Jochum: Also unter normaler Materie versteht man das, was der Mensch als normal empfindet. Es ist das Material das uns umgibt, aus dem unsere Welt besteht, was wir alltäglich gewohnt sind. Für einen Physiker ist das natürlich Materie, die aus Atomen besteht. Und diese Atome bestehen aus Atomkernen und Elektronen, und die Masse der Atome steckt im Wesentlichen im Atomkern. Unter normaler Materie versteht man dann im Wesentlichen Protonen und Neutronen. Wenn wir Sterne und Galaxien sehen, ist das in der Regel derartige normale Materie. Weil es auf den Sternen sehr heiß ist, werden die Atome dort zum Leuchten angeregt, und das ist dann das, was wir sehen. Zusätzlich können wir aus Beobachtungen der Dynamik von Galaxien schließen, dass diese normale Materie nur einen kleinen Teil der Materie im Universum ausmacht. Und das was wir nicht sehen, nennen wir eben Dunkle Materie. Dieser Begriff hat sich eingebürgert, weil wir sie eben nicht mit den Augen, quasi durch elektromagnetische Strahlung sehen können. Die Dunkle Materie macht einen sehr großen Teil der Materie |
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Drillingsraum: Was hat die Physiker dazu veranlasst, die Existenz einer 'Dunklen Materie' zu fordern? Prof. Dr. Josef Jochum: Das ging historisch los mit Beobachtungen der Dynamik von Galaxien, also wie sich Galaxien umeinander bewegen. In einem System das gravitativ gebunden ist, wie unser Sonnensystem zum Beispiel, besteht ein ganz enger Zusammenhang zwischen der Masse der Sonne und der Geschwindigkeit der Planeten, mit der sie sich um die Sonne bewegen. Die Umlaufzeit der Planeten um die Sonne und ihr Abstand zur Sonne stehen nach dem Keplerschen Gesetz in einem engen Zusammenhang: Wenn man den Abstand eines Planeten zur Sonne sowie seine Umlaufzeit kennt, kann man daraus die Masse der Sonne bestimmen. Und das kann man jetzt natürlich auch in größerem Maßstab machen. Etwa mit Galaxien-Clustern, das sind so die größten Gebilde die wir im Universum kennen, dort kreisen ganze Galaxien umeinander. Wenn wir nun den Abstand dieser Galaxien kennen, und messen können wie schnell sie umeinander kreisen, dann können wir daraus die Massen |
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der Galaxien zu erklären. Diese Beobachtungen kann man seit etwa 80 Jahren machen. Seit man mit großen Teleskopen Sterne in den Nachbargalaxien auflösen kann, kennt man das Problem der Dunklen Materie, und hat auch diesen Begriff geprägt. Aber es gibt heute viele weitere Beobachtungen kosmologischer Natur, die auf die Dunkle Materie hindeuten. Zum Beispiel die Entstehung der Strukturen im Universum, also wie die Galaxien sich überhaupt geformt und gebildet haben. Das kann man nicht verstehen, ohne dass man die Dunkle Materie benötigt. Da gibt es noch viele viele andere Details, die alle in diese Richtung gehen. Das sind halt viele Beobachtungstatsachen, die da Hand in Hand gehen, und das Schöne an der Dunklen Materie ist eben, dass viele dieser offenen Fragen mit ihr plausibel erklärt werden können. Drillingsraum: Was ist mit unserer Milchstraße, rotiert auch sie anders als berechnet? Gibt es in unserer Galaxie Dunkle Materie? Prof. Dr. Josef Jochum: Ja, sicher. Das Problem, das wir bei anderen Galaxien sehen, dass also die äußeren Bereiche zu schnell rotieren, existiert bei uns genauso. Deshalb gehen wir davon aus, dass auch bei uns Dunkle Materie existiert. Und wir haben gute Abschätzungen dafür, dass auch hier in diesem Raum Dunkle Materie sein sollte, etwa 3 solcher WIMP-Teilchen pro Liter. Oder für einen Teilchenphysiker sind das eben ein paar keV pro Kubikzentimeter. |
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Drillingsraum: Galaxien können sich nur bilden, wenn genügend Masse da ist, die ausreicht um alles gravitativ zusammenzuhalten. Hätten sich ohne die Dunkle Materie überhaupt Galaxien bilden können? Prof. Dr. Josef Jochum: Im Prinzip ja. Allerdings nicht in der Zeit, die bisher im Universum zur Verfügung stand. Das ist didaktisch zwar nicht so leicht vermittelbar, aber es ist einer der stärksten Hinweise auf Dunkle Materie überhaupt, also die Frage: Wie haben sich Strukturen im Universum gebildet? Mit der Messung des Kosmischen Mikrowellenhintergrunds haben wir ein Bild des Universums, wie die Materie 360.000 Jahre nach dem Urknall verteilt war. Seither sind etwa 13 Milliarden Jahre vergangen. Wir müssen verstehen, wie sich die Materieverteilung von damals im Laufe der Zeit so drastisch hat ändern können, dass es heute Bereiche im Universum gibt, in denen punktuell Materie herrscht, und es andere Bereiche gibt, die total leer sind. Und das ist mit normaler Materie nicht machbar. Schon damals muss die Dunkle Materie verklumpt gewesen sein, um das Ganze voran zu treiben. Drillingsraum: Wir verdanken der Dunklen Materie also im Prinzip, dass wir da sind... Prof. Dr. Josef Jochum: Ja, das ist richtig. Oder jetzt schon da sind. Drillingsraum: Was bedeutet die Dunkle Materie für die Zukunft des Universums? Prof. Dr. Josef Jochum: Ja, um das wirklich zu beantworten, muss man definitiv mal klären, was die Dunkle Energie ist. Die Dunkle Materie hat garantiert die Strukturbildung im Universum beschleunigt, so dass wir heute da sind. Wenn die Dunkle Energie diese Rolle spielt wie wir sie im Moment vermuten, mit der naheliegensten Erklärung, dass wir sagen sie sieht aus wie eine Kosmologische Konstante und macht 73% des Universums aus, dann sind wir gerade dabei, dass die Überhand nimmt. Dann wäre auch die Zukunft des Universums im Wesentlichen durch die Dunkle Energie dominiert. Es wird langweiliger, alles dehnt sich schneller aus und wird wieder dünner. Wenn es die Dunkle Materie nicht gäbe, wäre das schon lange passiert. Insofern... Es ist dann eher retrospektiv, also die Dunkle Materie hat in der Vergangenheit viel geholfen, dass wir da sind, und sie hat die Expansion des Universums etwas ausgebremst. |
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