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Theodor W. Hänsch
 

Interview mit Physik-Nobelpreisträger Prof. Dr. Theodor W. Hänsch

Teil 4: Über das EPR-Experiment, den Tunneleffekt und
philosophische Aspekte der Quantenmechanik

Drillingsraum: Betrachten wir mal eine Geldmünze. Je nach dem, von welcher Seite man sie anschaut, sieht man entweder Kopf oder Zahl...

Prof. Dr. Theodor Hänsch: ...es sei denn, es ist eine Zaubermünze... (lacht)

Drillingsraum: ...genau. Die Münze ist sozusagen das übergeordnete Objekt, das diese beiden Seiten in sich birgt. In der Quantenmechanik ist es ähnlich: Je nachdem, wie man einen Versuch durchführt, sieht man entweder Wellen- oder Teilchencharakter. Könnte es hier vielleicht genau wie bei der Münze ein übergeordnetes Objekt geben, das wir heute nur noch nicht kennen?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Ja ganz bestimmt ist es so. Diese Wellen und Teilchen sind sozusagen klassische Grenzfälle. Es gibt klassische Teilchen und klassische Wellen. Quantenobjekte kann man so projizieren, dass sie sich so verhalten, als wären es Wellen oder als wären es Teilchen. Aber in Wirklichkeit ist es natürlich etwas anderes.

Drillingsraum: Unser genetischer Code ist aufgrund des Tunneleffekts geringfügig instabil, was stellenweise zu kleinen Mutationen führen kann. Spielen quantenmechanische Effekte für das Leben, oder sogar für die Evolution eine größere Rolle als wir vielleicht glauben?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Ich glaube, dass das Tunneln einer der vernachlässigbaren Gründe für Mutationen ist, da gibt es viel handfestere. Aber die Quantenmechanik spielt ganz bestimmt eine Rolle auf der Ebene der Moleküle und der Atome. Diese haben ihre Eigenschaften eben, weil es die Quantenmechanik gibt, die Chemie funktioniert, weil es die Quantenmechanik gibt. Also auf der Ebene ja. Auf einer mesoskopischen oder makroskopischen Ebene wäre ich eher skeptisch.

 
Bei der Quantenmechanik ist's fast wie beim Hütchenspiel: Solange man nicht hinschaut, kann das Teilchen überall sein.

Drillingsraum: Unterliegt unser Gehirn quantenmechanischen Zufällen, ist das was wir denken ein Ergebnis quantenmechanischer Willkür?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Ich glaube schon, dass es Zufallseinflüsse gibt. Ob diese allerdings quantenmechanisch erklärt werden müssen... also ich weiß nicht. Man könnte sich ja auch einfach chaotische Systeme vorstellen, in denen winzige Temperaturänderungen unvorhersehbar makroskopische Konsequenzen haben. Ich glaube, da brauchen wir die Quantenmechanik gar nicht. Wenn ich einen chaotischen Zustand in meinem Gehirn habe, dann kann ich eben mit winzigen Änderungen drastisch andere Ergebnisse erzielen. Und wenn ich in einen solchen Zustand reinkomme, wäre das wahrscheinlich ungesund, wenn sich das auf das ganze Gehirn erstrecken würde. Aber in kleinen Arealen könnte man sich das vorstellen. Auch, dass uns dann kleine Empfindungen oder Berührungen oder irgendwas dazu verleiten, an Dinge zu denken, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Auf diese Art und Weise werden wir also schon ein Spiel des Zufalls, auch in unserem Kopf.

Drillingsraum: Determinismus, Radikaler Konstruktivismus, naiver Realismus, und so weiter... Die Quantenmechanik bietet viel Raum für philosophische Überlegungen. Beschäftigen Sie sich mit solchen Themen?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Wenig. Sollte man natürlich, und es gehört sozusagen auch zur Bildung. Aber es gibt wenige Leute, die sowohl die Philosophie gut überschauen, als auch die Quantenmechanik verstehen. Und wenn ich Philosophen lese, bei denen es klar ist, dass sie das gar nicht verstanden haben, bin ich halt erstmal weniger enthusiastisch und lege das Buch dann beiseite (lacht).

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Drillingsraum: Einstein, Podolski und Rosen wollten mit dem berühmten EPR-Experiment zeigen, dass die Quantenmechanik gegen bestimmte Aspekte klassischer Theorien verstößt. Was kann man sich unter diesem EPR-Experiment genau vorstellen und warum ist es so wichtig für die Quantenmechanik?

Prof. Dr. Theodor Hänsch: Einstein wollte halt nicht an die Quantenphysik glauben. Und er wollte zeigen, dass die Beschreibung unvollständig ist. Wir hatten es vorhin ja schon angesprochen: Wenn ich zwei Teilchen habe, kann ich die eben so erzeugen, dass sie verschränkt sind. Meinetwegen in ihrer Polarisation. Ich glaube damals dachte man an Spin 1/2 Teilchen, in heutigen optischen Experimenten sind dies meistens zwei Photonen. Wenn ich nun an einem Teilchen die Polarisation messe, dann weiß ich etwas über den Ausgang von Messungen am anderen Photon. Die Quantenmechanik sagt eben statistische Korrelationen voraus, die man nicht erklären kann, wenn man die naive Annahme macht, dass diese Photonen schon eine Polarisation haben, noch bevor man sie misst. Bei der Quantenmechanik muss ich diese Annahme nicht machen, die sagt diese Korrelationen richtig voraus. Aber die Schlussfolgerung im Umkehrschluss ist: Es ist verboten, an ein Photon zu denken, das die Gestalt eines Teilchens mit einer bekannten Polarisation hat. Jedenfalls im Allgemeinen.

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